Selten zuvor war die muntere Reiseschar von IG Alter an einem Montag unterwegs. Diesmal hat es sich aber wirklich gelohnt: Denn die Wetterfrösche hatten einen regnerischen Wochenstart angekündigt, das Wetterglück blieb jedoch auf unserer Seite. Ohne einen Tropfen Regen kamen wir durch den Tag.
Nach dem obligaten, stärkenden morgendlichen Kaffeehalt, diesmal in Niederbipp im bernischen Oberaargau, fuhren wir über Solothurn weiter zum Bielersee, wo uns sogar Sonne und blauer Himmel überraschten. So erstrahlten die malerisch terrassierten und bis zur Strasse reichenden Rebhänge im wunderschönen Herbstlicht! Ein Augenschmaus!
Wenig später ging es dann hinauf ins Val de Travers, dem auf rund 700 Metern hoch gelegenen Längstal im Kanton Neuenburg. Landesweit bekannt geworden ist es durch die „grüne Fee“, wie der hier hergestellte Absinth auch genannt wird. Seinen (Über-)Namen erhielt der Wermutschnaps wegen seiner grünlichen Farbe, die von der Beimischung verschiedenster Kräuter herrührt. Und die Fee lässt sich augenzwinkernd damit erklären, dass das stark alkoholhaltige Getränk (der Alkoholgehalt liegt zwischen 45 und 89 Volumenprozent!) bei übermässigem Genuss zu derartigen Halluzinationen führen kann. Nicht zuletzt deswegen war in der Schweiz die Herstellung und der Konsum von Absinth während 90 Jahren (von 1910 bis 2005) verboten. Was etliche Bauern im Tal indessen nicht daran hinderte, klammheimlich weiterhin zu brennen. Wer dabei erwischt wurde, musste mit hohen Bussen und Gefängnisstrafen rechnen.
Vergangene Zeiten. Völlig legal konnten wir im Restaurant und Museum des 1986 stillgelegten Asphaltbergwerks La Pesta den (natürlich mit Wasser verdünnten) Absinth verkosten. Etliche Mitreisende nutzten daberi die Gelegenheit, eine „grüne Fee“ als geniessbares Souvenir mit nach Hause zu nehmen. Es war ein wohlschmeckender Auftakt zu einem köstlichen Mittagessen! Serviert wurde uns nämlich das einstige Festessen der Grubenarbeiter, das ihnen nur einmal im Jahr, am 4. Dezember, dem Tag der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Mineure, aufgetischt wurde: Schinken im Asphalt, Kartoffelgratin, Bohnen. Dies nicht etwa nur auf dem Teller, sondern mit reichlich Nachschlag! Da ging niemand hungrig vom Tisch!
Schinken im Asphalt? Was im ersten Moment merkwürdig, ja gar unappetitlich tönt, ist jedoch eine ausgeklügelte Gar- und Kochmethode! Der Schinken kommt nämlich dabei gar nie mit dem heissen Asphalt in Berührung. Speziell eingepackt wird er in einer verschlossenen Asphaltpfanne während mehrerer Stunden gegart; die konstante 180-grädige Temperatur und die Verpackung schliessen den ganzen Geschmack und sämtliche Aromen mit ein, die sich bei der herkömmlichen Kochmethode zum Teil verflüchtigen. Es schmeckte ausgezeichnet, so lautete denn auch unisono das Urteil unserer Reisegruppe.
Derart gestärkt stand nach der Mittagsrast der eigentliche Höhepunkt des Ausflugs auf dem Programm. Zielsicher brachte uns der versierte Carchauffeur von Koch Reisen über enge, kurvenreiche Strassen, vorbei an lieblichen Juraweiden, hinauf zur Alpwirtschaft Soliat (1382 Meter). Ab dort erreichten wir nach einem kurzen Fussmarsch den Creux du Van, die riesige Felsarena im Grenzgebiet der Kantone Waadt und Neuenburg. Dieses Naturspektakel ist einfach atemberaubend! In einem grossen Bogen öffnet sich dem Besucher ein runder Talkessel, umrahmt von über 160 Meter senkrecht abfallenden Felswänden. Eindrücklich, wenn man vom beinahe flachen Hochplateau plötzlich vor diesem Abgrund steht! Klar, dass vor dieser grandiosen Kulisse eifrig die Handys und Fotoapparate gezückt und Erinnerungsbilder geschossen wurden. Obwohl sich mittlerweile der Himmel überzogen und die Sonne verdeckt hatte, lag die Wolkendecke zum Glück so hoch, dass wir die herrliche Panoramasicht geniessen konnten. Vom Creux du Van schweift der Blick einerseits über das Mittelland bis hin zum Alpenkranz, anderseits über die Juraketten ins nahegelegene Nachbarland Frankreich.
Voller Eindrücke machten wir uns danach wieder auf den Heimweg. Von den Jurahöhen hinab ins Flachland ging’s über eine Panoramaroute mit prächtiger Sicht auf den Neuenburgersee, dann quer durch den „Gemüsegarten der Schweiz“, das Berner Seeland, in Richtung Bern. Via Thun und Interlaken, entlang dem Brienzersee und über den Brünig kehrten wir nach Obwalden heim. Beim Abschiednehmen waren sich alle einig: Es war einmal mehr ein geselliger, erlebnisreicher, schöner Tag. Das macht Lust auf mehr! Im kommenden Jahr ist es wieder soweit! In dem Sinne auf ein frohes Wiedersehen auf einem der kommenden Ausflüge.
Karl Fischer
Fotos von KF, KB, RAC